Die Schweren Stellen der Etüde
Es gibt zwei Stellen in der Etüde, die der besonderen Arbeit bedürfen, allein schon deshalb, weil sie aus dem ansonsten durchgängigen Anschlagsmuster herausfallen. Mit diesen Stellen werden wir uns nun beschäftigen. Aber zuvor poste ich jetzt erst einmal das komplette Stück, damit man sehen kann, was gemeint ist.
Die erste schwere Stelle ist der Takt 24 und der Takt 25. Dort bricht sich das bisher durchgängige Bewegungsmuster. Es gilt Bindungen, mehrere Lagenwechsel und auch Überdehnungen beherrschen zu lernen.
Die zweite schwere Stelle ist von Takt 32 bis 34. Hier kommen rallentandi, Flageolett Töne, arpeggierte Akkorde und ein Tempowechsel zum finalen Lento auf den Übeplan.
Diese beiden Stellen sind die Crux der Etüde. Hier kann man hören, ob der Musiker wirklich zu Ende geübt hat.
Jetzt der Reihe nach und im Detail:
Schwere Stelle Nummer 1
Takt 24 und 25 sind zwar mit einem Wiederholungszeichen versehen, aber musikalisch macht das keinen Sinn. Ich würde das, wie viele andere Gitarristen, als Druckfehler betrachten. Ich kenne auch keine Aufnahme, in der diese Wiederholung gespielt wird. Ich bitte um Benachrichtigung, wenn da jemand andere Informationen hat.
Die erste Hälfte von Takt 24 läuft nach dem regulären Schema, aber dann bewegt sich die Zerlegung weiter in die Höhe und verändert dabei ihr Muster. Über den Fingersatz der linken Hand kann man diskutieren. Dieser hier scheint mir plausibel und lässt sich klanglich auch gut kontrollieren.
Die Bindungen (Bindebogen über zwei unterschiedliche Noten) sind durchweg Aufwärtsbindungen (Hammering). Nach dem Lagenwechsel in die VIII. Lage in Takt 25 wird der 3. Finger eng aufgeklopft (!), der 2. Finger dann im selben Bund (VIII) auf der A-Saite aufgesetzt. Das ist ein wenig eng dort, also aufgepasst. Dann klopft der 4. Finger eng auf das g im 10.Bund, womit praktisch ein Lagenwechsel vollzogen wurde, also jetzt kurzfristig VII.Lage. Dann folgt aber gleich eine Überdehnung, der 1.Finger steckt sich (Spreizen der linken Hand) zurück in den VI. Bund und markiert so einen erneuten Lagenwechsel, jetzt also VI Lage. Danach folgt nur noch ein Lagenwechsel in die II.Lage. Der Anschlusston in Takt 26 ist übrigens das Fis (derselbe Ton wie der vorletzte Ton in Takt 25), den sollte man da gleich mit üben.
Wie übt man schwere Stellen?
Vor allem zunächst sehr, sehr langsam. Es gilt äußerst komplexe und vielschichtige Bewegungen bewusst ausführen zu lernen. Jede Wiederholung einer fehlerhaften Ausführung führt zu einer Prägung des sensomotorischen Apparats und ist daher unbedingt zu vermeiden.
Vergleichbar ist diese Arbeit mit dem Programmieren eines Computer Programm Codes. Der Programmierer schreibt Zeile für Zeile seines Codes sorgsam und akribisch genau. Erst wenn das erfüllt ist, kann der Code erfolgreich gestartet werden und quasi "in schnellem Tempo" ablaufen, um das gewünschte Ergebnis zu bekommen.
Beim langsamen Üben programmiert der Musiker also Detail für Detail sein sensomotorisches Gedächtnis. Erst wenn das gefestigt ist sollte der Ablauf in einem schnelleren Tempo probiert werden. Sollten dabei dann Fehler auftauchen, sofort wieder in den langsamen Übemodus zurückkehren. Als Faustregel gilt: Dreimal fehlerfrei wiederholen.
Denn: Auch Fehler werden programmiert. Wiederholst du Fehler, dann verfestigen sie sich und du wirst sie ganz schlecht wieder los.
Schwere Stelle Nummer 2
Der erste Teil von Takt 32 folgt zunächst wieder dem regulären Muster. Allerdings beginnt hier schon das erste Rallentando (langsamer werden). Dies sollte man beim Üben erstmal ignorieren. Dann kommt die Flageolett Passage. Besonders die Flageoletts im V. Bund sind sorgfältig zu üben. Sie brauchen viel mehr kinetische Energie als die auf der XII und VII.
Wichtiger Hinweis dazu: Die rechte Hand sollte bei Flageoletts grundsätzlich sul ponticello (also am Steg, harte Klangfarbe) spielen.
Die beiden Schluss Akkorde mit der rechten Hand ppima spielen, das klappt in dem langsamen Tempo wunderbar einfach.
Beachte: In Takt 33 wechselt der Rhythmus der Zerlegung. Das sollte schon beim langsamen Üben eingeplant werden.
Ansonsten gelten auch hier die Anweisungen zum langsamen Üben, wie sie bei der schweren Stelle 1 gegeben wurden.
Zum Schluss, erst dann wenn ein gewisses Tempo beherrscht wird, übt man die rallentandi.
Nachwort
Jetzt bin ich am Ende meiner Lektion angelangt.
Ich gebe mich nicht der Illusion hin, dass irgend jemand mit diesen kurzen Anweisungen diese anspruchsvolle Etüde wirklich lernen kann.
Aber ich hoffe, ich konnte einen Einblick in meine Arbeit als Gitarrenlehrer geben. Die Anwesenheit und Aufmerksamkeit des Lehrers sowie der persönliche Kontakt und Austausch ist der Schlüssel zu fortschreitendem Lernerfolg.
Seid alle ganz herzlich gegrüßt
Frank
Kommentar hinzufügen
Kommentare